Heute stellt sich Titus Meyer unseren 10 Fragen.
1. Welchen Einfluss hat Berlin auf deine Arbeit?
Berlin ist meiner Einschätzung nach eine der allergeeignetsten deutschen Städte für den waghalsigen Versuch eines Künstlerlebens. Zudem bin ich hier geboren und aufgewachsen.
2. Was gefällt dir an Berlin? Was nervt dich?
Nicht besonders viel, aber vielleicht generell die Museen, vor allem die Sammlung Scharf-Gerstenberg in Charlottenburg. Die Seen nördlich und südlich vor Berlin, der Grunewald, der Tiergarten, die Gegend im Bereich Schönhauser Allee – Eberswalder Straße, sowie den gesamten Ortsteil Friedrichshain. Mich nerven nahezu alle Menschen, öffentliche Verkehrsmittel, der Lärm, die sehr schlechte Luft, die Dreckigkeit, die Menschenmassen.
3. Wie nimmst du die Literaturszene in Berlin wahr?
Ich betrachte sie als sehr lebhaft, vielgestaltig, und auch, verglichen mit anderen deutschen Städten: dankbar.
4. An welchem Projekt arbeitest du gerade?
Hauptsächlich arbeite ich gerade an einer Art Flüchtlingsgedichtzyklus: Einer
„lyrisch-begleitenden Einfühlung in die Gedanken- und Empfindungswelt einer
syrischen Flüchtlingsfamilie.“ Nebensächlich schreibe ich aber derzeit auch Gedichte, die ich gern irgendwann im Rahmen eines Horrorlyrikprojektes veröffentlichen will. Ach ja, und englische Palindromgedichte häkele ich hin und wieder; vielleicht werde ich daraus auch irgendwann ein Buch machen wollen, aber das kann dauern.
5. Wie bringst du dich für dein Schreiben in Stimmung? Welche Ressourcen, welche Schreibumgebung, -atmosphäre benötigst du?
Ich brauche viel Kaffee, Ruhe, Einsamkeit, Muße und Nacht. Abend geht auch.
6. Wie entwickelt sich ein literarischer Text bei dir?
Kommt darauf an, was ich wie schreibe. Aber bei Anagrammen & Co ist es so,
dass es meist mit einer kleinen Texteinheit beginnt. Mit irgendetwas, was mir einen Ohrwurm verpasst, oder ich zerstören, auseinandernehmen oder konservieren will, weil ich es mag. Was dann folgt, ist eine Mischung aus kombinatorischer Grübelei und intuitiv-inspirativem Fortkommen im Text. Bei meinem derzeitigen Hauptprojekt aber, das viel freie Lyrik beinhalten wird, ist es aber sehr viel eher Letzteres. Dies fühlt sich ein bisschen wie Urlaub von den Regelgedichten an. Den hab ich mir aber auch mal verdient.
7. Wieviel Zeit verbringst du pro Woche mit deinem Schreiben, und bist du damit zufrieden?
Derzeit 20 – 30 Stunden. Damit bin ich sehr zufrieden.
8. Welche aktuellen gesellschaftlichen Themen beschäftigen dich gerade? Und haben sie Auswirkungen auf dein Schreiben?
Tierrecht (mir schwebt da eh der Titel Mausmodell für einen Lyrikband vor), und, wie schon erwähnt, die Flüchtlingskrise. Das freie Schreiben am geplanten Buch tut gut, ist mal eine willkommene Erfrischung. Und nebenbei bekomme ich auch kleine Einblicke in die arabische Sprache.
9. Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Lyrik mochte ich wirklich schon als kleines Kind. In meiner Jugend war ich
musizierobsessiv, mochte klassische Musik und komponierte auch gern selber Fugen und so etwas. Und eigentlich wäre ich fast auch Musiker geworden, aber aus irgendeinem Grund zog ich mit 20 dann doch nach Greifswald, um Skandinavistik und Germanistik zu studieren. Zu der Zeit bekam ich dann auch Rilke und Günter Nehm in die Hände. Deren Werke hatten mich damals wirklich umgehauen. Gerade diesen oulipoiden Ansatz Nehms fand ich ungeheuer spannend, da mich Anagramme & Co sehr an die mathematische Herangehensweise in der Barockmusik erinnerten. Dadurch begann ich eigene Texte dieser Art zu versuchen, und dies wurde über die Jahre zur Sucht.
10. Wie nutzt du das Internet und Social Media-Plattformen für dein Schreiben und als Präsentationsort?
Ich habe Facebook immer viel genutzt, um Gedichte zu posten, und mich dadurch auch vernetzen zu können mit Ähnlichgesinnten. Aber ich poste immer weniger, oder nur kleine, kurze Sachen, weil mir meine Sachen zunehmend zu schade dafür sind, durch die Internet-Exhibierung verpulvert zu werden.